Wallis Bird

Wer ein „Bird“ im Nachnamen trägt, kann wahrscheinlich gar nicht anders, als sein Leben dem Singen zu widmen. Wallis Bird hat dies getan, schon seit frühester Jugend. Und sie gastierte im nur unwesentlich fortgeschrittenen Alter von Mitte zwanzig auch schon einmal in der Kulturarena, gemeinsam mit Get Well Soon im Jahr 2008. Wer das damalige Konzert erlebt hat, wird zustimmen, dass der Name Bird dann doch etwas in die Irre führt. Denn Wallis Bird ist keineswegs die elfengleiche Folksängerin, als die sie noch zu Beginn ihrer Karriere wahrgenommen wurde. Sie ist ganz im Gegenteil ein vor Energie vibrierender Springinsfeld, eine echte Rock'n'Rollerin im Herzen, die ganz allein, nur mit Gitarre und durchschlagender Stimme bewaffnet, ein ganzes Arenarund für sich einnehmen kann. In ihrer Mischung aus selbstironischen Ansagen und rau-melodischen Folksongs schimmert immer das bodenständige irische Temperament hindurch, das Wallis Bird seit Beginn ihrer musikalischen Arbeit begleitet. Als Kind verlor sie bei einem Unfall fast ihre linke Hand, bis heute fehlt ein Finger, doch das hielt sie mitnichten davon ab, die Gitarre als ihr Werkzeug zu wählen. Sie spielt sie seitdem seitenverkehrt, mit einer ganz eigenen Technik, und absolvierte so mit Bravour das Musikstudium in Dublin. So wie später in Deutschland, wo sie Teile ihrer Band und Kollegen wie den oben erwähnten Konstantin Gropper alias Get Well Soon kennenlernte. Und hier – in Mannheim – startete auch die Musikkarriere der Wallis Bird. Schon ihr erster veröffentlichter Song „Blossoms in the street“ entwickelte sich 2006 im Eigenverlag zu einem echten Sommerhit. Ihre zwei folgenden Alben machten sie auch in Großbritannien und ihrer Heimat Irland zu einem echten Geheimtipp. Kolleginnen von Billy Bragg über Gossip und Emiliana Torrini bis Ina Müller baten um gemeinsame Konzerte.

Mittlerweile wohnt Wallis Bird in Berlin und veröffentlicht im Mai diesen Jahres mit ihrer deutsch-irischen Band ihr viertes Album „Architect“. Mittlerweile weiß alle Welt, was hier für eine Ausnahmemusikerin auftritt. Eine, die Zuhörer schon zu Vergleichen mit der kanadischen Sängerin Feist oder der jungen Janis Joplin hingerissen hat. Eine, die auch – oder gerade – mit diesen Vorbildern großen Wert auf den politischen Gehalt ihrer Songs legt. Frei vom Newcomerstatus und engen Folketiketten verpackt sie ihre sehr direkten Texte in zunehmend vielschichtige musikalische Arrangements, wandert ins kehlige R&B-Feld, springt zurück in den rauen Folk, lässt metallische Elektrostürme toben. Doch jegliche Studioaufnahme ist nur ein blasser Abglanz dessen, was Bird und ihre vier Musiker/innen auf der Bühne heraufbeschwören. Hier tobt der wahre Sturm. Und es ist einer von der freudvollsten, mitreißendsten Sorte.

Foto: Jens Oellermann